Die Erde ist ein dynamischer Planet. Als einziger aller neun Planeten unseres Sonnensystems ist er, was seine Kruste angeht, tektonisch noch aktiv. Alfred Wegener veröffentlichte 1912 die Theorie über die Kontinentaldrift (oder Kontinentalverschiebung), auf der die heutige Lehre von der Plattentektonik fußt. Diese beschreibt die unaufhörliche Mobilität der äußersten, starren Schale der Erde, der Litosphäre, und die dabei wirkenden Kräfte.
- Plattentektonik
Die Theorie der Plattentektonik geht von dem Grundprinzip aus, dass die gesamte starre Litosphäre aus vielen, sich im Verhältnis zueinander ständig verschiebenden großen und kleinen Platten besteht; heute zählt man sieben große und Dutzende kleinere. In diese Platten ist ein Kontinent (kontinentale Kruste) oder ein Stück Meeresboden (ozeanische Kruste) oder beides eingebettet. Die riesigen Gebilde sind ständig in Bewegung und treiben langsam auf dem obersten Teil des Erdmantels, dem zähplastischen Gesteinsbrei der sogenannten Asthenosphäre (griechisch asthenos = weich).
Die Stärke der Platten beträgt durchschnittlich 33 Kilometer (kontinentale Kruste 30 bis 70 Kilometer, ozeanische 6 bis 13 Kilometer). Ihre subkrustalen Kiele können sogar bis zu 400 Kilometer mächtig sein. Die Platten sind aber keine geologischen Einheiten, denn langsam, aber beharrlich, werden sie auseinandergerissen und neu zusammengeschoben; sie erneuern sich in diesem dynamischen Kreislauf stetig. Bei ihrer Reise im Schneckentempo – wenige Zentimeter bis etwa 10 Zentimeter pro Jahr – legen sie im Laufe von Jahrmillionen tausend Kilometer zurück. Der derzeitige Plattenverband auf unserem Planeten besteht vermutlich seit mindestens 150 Millionen Jahren.
Generell sind die Plattenbewegungen relativ gleichförmig. Eine Ausnahme bilden nur die Plattenrandgebiete. An den sogenannten konvergenten Grenzen stoßen Platten zusammen. Dabei wird die leichtere Platte zusammengedrückt und unter die andere geschoben. Die Stelle, an der sie in den Mantel abtaucht, wird als Subduktionszone bezeichnet. Da sie sich an ihrem gegenüberliegenden Rand von einer anderen Platte entfernt, entsteht dort eine divergente Plattengrenze. Dort quillt frisches Magma aus dem Erdinnern nach oben und kühlt ab. Es türmt sich an der Oberfläche auf und bildet einen untermeerischen Höhenrücken. Stoßen zwei gleich schwere Platten aus kontinentaler Kruste zusammen, werden sie miteinander verschweißt. Sie verschieben sich in mehrfachen Schichten ineinander, falten sich und türmen die kontinentale Kruste zu gewaltigen Gebirgen auf. An anderen Plattengrenzen wiederum schieben sich Platten aneinander vorbei.
Viele Kräfte spielen zusammen, um die riesigen Krustenteile anzutreiben. Dabei überschneiden sich Kräfte im tiefen Erdmantel mit denen an der Erdoberfläche. Daher haben die Geologen inzwischen das dynamische Modell der Plattentektonik auf das Platteninnere ausgedehnt („Intraplattentektonik„). Während früher die einen Vorgänge im Mantel für das Driften der Platten verantwortlich machten (bottom-up), hielten die anderen den Einfluss der Platten auf den Mantel für die Ursache (top-down). In Wirklichkeit halten sich beide Vorgänge über eine Rückkopplungsschleife wahrscheinlich gegenseitig in Gang.
Der große Temperaturunterschied zwischen dem etwa 4000°C heißen flüssigen Erdkern in 2000 Kilometern Tiefe und der Erdoberfläche lässt die plastische Gesteinsmasse des Erdmantels zirkulieren. Heiße Bereiche sind lokal leichter und neigen dazu, aufzusteigen, während kalte Bereiche dichter sind und absinken. Chemische Unterschiede beeinflussen ebenfalls den Auftrieb, denn eisenreiche Gesteine z. B. sind normalerweise dichter (und damit schwerer) als magnesiumreiche. So steigen Magmatröpfchen in dünnen Fäden langsam empor, nur wenige Zentimeter pro Jahr. Ihre Bahnen erzeugen ein Netz aus Millionen von Schmelzfäden, die sich nach oben zu immer größeren Kanälen zusammenschließen und baum- oder girlandenähnliche Strukturen bilden. Das Magma gelangt schließlich bis dicht unter die Erdkruste.
Wo sich an der Kern-Mantelgrenze viel heißes Material sammelt, können auch große Materieblasen (Hot Blobs) entstehen, die dann pulsartig aufsteigen. Diese auch als Plumes bezeichnete heiße Blasen (Aufstrombereich ähnelt einem Helmbusch = Plume) können mächtige „Blähungen“ verursachen und die Erdoberfläche ausbeulen.
Manchmal gibt es einen Stau, wenn das Magma im oberen Mantel auskristallisiert und „Dämme“ bildet. Diese brechen von Zeit zu Zeit und es treten vorübergehen große Mengen an heißer Flüssigkeit aus einem einzigen Kanal aus. Geophysiker nennen solche Bereiche Hotspots, die ebenso wie die Platten wandern. Von diesen relativ eng begrenzten vulkanisch aktiven Regionen existieren mehrere Dutzend über den gesamten Globus verteilt. Womöglich haben aber nach neueren Erkenntnissen nur die heißesten Hotspots ihren Ursprung an der Kern-Mantel-Grenze. Viele entstehen wohl auch in geringeren Tiefen durch lokale Konvektion. (Warum sich heute alle heißen Hotspots im Pazifikraum sammeln, die kühleren dagegen rund um Afrika, ist unklar.)
Nach Ansicht der meisten Fachleute ist das Gewicht des abtauchenden Krustenfragments, das den Rest der Platte hinter sich herzieht, der anteilsmäßig bedeutendste Antrieb für die Bewegung der Erdplatten. Wenn zwei Platten zusammenstoßen und sich die eine unter die andere schiebt, entsteht eine Zugspannung, da der absinkende Teil während der Subduktion die restliche Platte ein Stück nach unten Richtung Mantel zieht. Durch diese ungeheuren Zugkräfte reißt am anderen Ende der Platte die Erdkruste auf. Das Magma kann hier nach oben steigen und bildet an der Oberfläche eine (neue) Spreizungszone, wo das erstarrende Magma unablässig neuen Meeresboden bildet.
Die dominierenden Kräfte an den Subduktionszonen befinden sich in den ersten 100 Kilometern unter der Erdoberfläche. Die abtauchenden Gesteinsplatten beeinflussen offensichtlich hier auch die Konvektionsströme, die die horizontale Wanderung der Erdplatten nicht nur antreiben, sondern auch bremsen können. An manchen Stellen steigt Magma unabhängig von Plattengrenzen aus dem Erdinneren hoch. Und nicht nur die Platten sind in Bewegung, sondern auch die Nähte. Daher wollen manche Forscher die herkömmliche Lehre von der Plattentektonik durch das Modell der Konvektionstektonik ersetzen.
Manche Ereignisse und Plattenbewegungen aber lassen sich nicht so einfach erklären. So steht manchmal die Bewegung einer Platte nicht im Einklang mit der Art, wie ihre Ränder abtauchen. Außerdem kann z. B. nicht erklärt werden, warum die pazifische Platte derzeit um fünf Millimeter pro Jahr schrumpft, während der Atlantik immer breiter wird. So bleiben für ein umfassendes Verständnis der Plattentektonik noch viele Fragen offen.
Nur ein paar lächerliche Zentimeter im Jahr verschieben sich die Platten – und lösen doch auf der Erde gewaltige Erdbeben aus, lassen Vulkane bersten und türmen Gebirge auf. So sind beispielsweise die weitgehend stabilen Kontinentalplatten umgeben von seismisch und vulkanisch aktiven Gürteln. Eine abtauchende Platte ist noch kühl und spröde und zerbricht unter den Spannungen, hervorgerufen durch Zug in mittleren und Kompression in großen Tiefen. Dabei werden Erdbeben erzeugt, deren Weg wir bis in fast 700 Kilometer nachzeichnen können. Starke Erdbeben können auch dann entstehen, wenn Platten sich beim Vorbeigleiten ineinander verhaken. Die dabei entstehenden Spannungen können sich dann mit einem plötzlichen Ruck lösen. (Es gibt sogar Beben, die entstehen, wenn zwei Platten voneinander wegdriften.)
An den Rändern kollidierender Platten treten die meisten Vulkaneruptionen auf. Meist lässt die Subduktion etwa 200 bis 300 Kilometer hinter dem Tiefseegraben eine Kette hochexplosiver Vulkane emporwachsen. Das Gestein einer abtauchenden Platte schmilzt teilweise in der Tiefe, weil eingebrachtes Wasser und andere flüchtige Teile dort den Schmelzpunkt des umgebenden Gesteins herabsetzen. Magma bahnt sich seinen Weg zur Oberfläche. Nahe der Kruste verliert die aufsteigende Schmelze so viel Wärme, dass sie teilweise auskristallisiert und den Aufstrom völlig blockiert. Wenn das spröde Gestein unter dem wachsenden Druck des nachfließenden Magmas schließlich zerbricht, kommt es zu spektakulären, explosiven Eruptionen (so jüngst die Ausbrüche des Pinatubo auf den Philippinen und des Mount St. Helens in den USA).
Am Meeresboden treten mächtige Lavaströme teilweise an Hotspots aus. Die Vulkane können nach einiger Zeit sogar einige tausend Meter über den Wasserspiegel aufragen. Nach vielen Jahrtausenden versiegt der Lavanachschub. Der erloschene Vulkan schrumpft durch die Erosion, bis er irgendwann wieder unter dem Meeresspiegel verschwindet. Längst hat sich dann aber der Hotspot schon etliche Kilometer entfernt und dort erneut durch die Erdplatte geschweißt: Ein neuer Vulkan bricht aus. In vielen Jahrmillionen entsteht so eine lange Kette von Vulkaninseln. (Hawaii oder die Galapagos-Inseln sind beispielsweise so entstanden.)
Beim Zusammenstoß von Kontinentalplatten liegen die entscheidenden Kräfte tiefer als in Subduktionszonen, meist in 100 bis 500 Kilometern Tiefe. Aber auch ohne dass Krustenplatten miteinander kollidieren, können sich heiße Gesteinsströme auf das Festland auswirken. Vor allem besonders riesige Pakete heißen Gesteins, sogenannte Superplumes, können einen ganzen Kontinent nach oben drücken und sogar auseinanderreißen. (Auf diese Weise trugen die Ströme heißen Gesteins, die heute unter Island, Tristan da Cunha oder Bouvet hervorquellen, dazu bei, den letzten Superkontinent Pangäa im Lauf der vergangenen 200 Millionen Jahre in verschiedene Teile zu zerlegen.)
Wenn auf einem Kontinent ein Riss entstanden ist, bildet sich an dieser Stelle zunächst ein Grabenbruch oder Rift Valley. In diese Senke ergießt sich die basaltische Lava der Vulkane und erstarrt. Der Graben senkt sich weiter ab und gelangt mit der Zeit schließlich unter den Meeresspiegel, so dass er überflutet wird. Ein neuer Ozean ist geboren. Die Vulkane des Grabenbruchs bilden nun einen mittelozeanischen Rücken, an dem neue Erdkruste entsteht; die beiden Bruchstücke des alten Kontinents werden weiter auseinandergedrückt. Diesen Kreislauf von Grabenbruch über Meeresbildung und erneutem Plattencrash mit neuen Gebirgen sowie dem Abtauchen der Plattenränder nennt man Wilson-Zyklus – nach John Tuzo Wilson, einem 1998 verstorbenen kanadischen Geophysiker.
Magma kann auch unter der Granitdecke der Kontinente stecken bleiben und sich in Magmakammern sammeln. Diese sogenannten Konvektionszellen sind kilometergroß und liegen relativ nahe (etwa 50 Kilometer) unter der Oberfläche. Da die kontinentale Kruste allgemein recht gut isoliert ist – viel besser jedenfalls als die dünne ozeanische Kruste -, kann das Magma in den Kammern auch langsam abkühlen und erstarren, um nach Millionen von Jahren feste Gebirgsarten zu bilden.
2. Geschichte der Plattentektonik
Wann genau die Plattentektonik auf der Erde einsetzte und was genau den Anstoß dazu gab, darüber rätseln die Geophysiker seit Jahrzehnten. Es finden sich aber immer mehr Indizien, dass tektonische Vorgänge – im Gegensatz zu manchen theoretischen Erwartungen – fast während der gesamten Zeit seit Bildung der festen Erdkruste auf ähnliche Weise wirksam waren wie heute. Demnach haben sie bereits vor mehr als vier Milliarden Jahren eingesetzt, als sich über dem glühenden Erdinneren eine erste primitive Kruste gebildet hatte.
Eine Theorie besagt, dass diese Kruste sich unter den Gezeitenkräften des Mondes dehnte und schließlich in Stücke zerbrach. Andere Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass die Einschläge von Asteroiden die Ursache für die Zersplitterung der Erdkruste waren. Teile der erkalteten äußeren Kruste seien dann irgendwann in den heißen oberen Mantel gedrückt worden und hätten damit die globale Plattentektonik angestoßen. Vielleicht passierte aber auch das genaue Gegenteil: Statt dass kalte Kruste ins Innere der Erde eindrang, könnten heiße Gesteinsschmelzen (Magma) im Mantel aufgestiegen sein und die Kruste aufgebrochen und auseinandergedrückt haben. Dabei wäre Kruste an anderer Stelle gestaucht worden und ein weiteres Mal zerbrochen. Erstmals könnte es hier zu Subduktionsvorgängen gekommen sein.
Jedenfalls legen Analysen der ältesten Gesteine der Erde nahe, dass bereits vor etwa vier Milliarden Jahren Prozesse stattgefunden haben könnten, die der Subduktion zumindest ähnelten. Damit hätten jener komplexen Vorgänge begonnen, durch die letztlich die Ozeane und Kontinente entstanden. (Nach Ansicht einiger Wissenschaftler könne man aber erst seit etwa 3,8 Milliarden Jahren von Plattentektonik sprechen, da die Protokontinente zunächst vergleichsweise klein und dünn waren und die Erde noch heiß war. Damals hätte weder eine horizontale Plattenbewegung noch Subduktion stattgefunden. Erst als die Erde hinreichend abgekühlt gewesen sei, hätten sich die ersten Platten in Bewegung gesetzt.)
Während das Erdinnere heute bestenfalls köchelt, musste es in der Frühzeit der Erde regelrecht gebrodelt haben, weil es noch mehr kurzlebige radioaktive Elemente gab, deren Zerfall den Erdmantel aufheizte und intensivere Wärmeausgleichsströmungen verursachte. Der noch heiße Planet schwitzte im Zeitraffer neue Kruste aus, die noch relativ heiß wieder in den Mantel abtauchte. Folglich begann sie in geringeren Tiefen zu schmelzen, als dies heute normalerweise geschieht. Das erklärt die Bildung natriumreicher magmatischer Gesteine auf der frühen Erde.
Der rasche Umsatz führte schließlich auch dazu, dass riesige Gesteinsblöcke entstanden, die dick und leicht genug waren, um nicht mehr ins heiße Erdinnere zurückzusinken. Durch Vulkanismus wurden hochgradig differenzierte Magmen erzeugt, deren Zusammensetzung eher der des hellen Granits entsprachen. Weniger dichte Gesteine wie Granit sind leichter als Basalt. Während basaltische Kruste wegen ihres hohen Eisengehalts ziemlich schwer ist und daher nach dem Erkalten immer wieder absank, blieb weniger dichtes Gestein an der Oberfläche und bildete schließlich die Bestandteile der Kontinente.
Die Landmassen sind also der Teil der Erdkruste, der nicht unablässig erneuert wurde. Allerdings haben nur wenige sehr frühe Kontinental-Gesteine das unablässig arbeitende Mahlwerk der Erde – geologische Vorgänge wie Faltung, Erosion und Metamorphose – unverändert überstanden. Die ältesten kontinentalen Fragmente sind 4,03 Milliarden Jahre alt. (Dagegen ist der Ozeanboden erdgeschichtlich gesehen sehr jung: Die älteste ozeanische Kruste ist gerade einmal 200 Millionen Jahre alt. ) Auf welche Weise genau – und wie schnell – aber Kontinente entstanden und wuchsen, ist noch nicht endgültig geklärt. Auch wie groß die ersten Kontinente waren und wo sie auf der Asthenosphäre schwammen, vermag niemand exakt zu sagen.
Vor etwas mehr als drei Milliarden Jahren begannen sich die Konvektionsströme und die chemische Zusammensetzung des Erdmantels infolge der Abkühlung des Planeten zu verändern. Die tektonische Aktivität nahm dauerhaft Fahrt auf. Immer noch gab es heftige Einschläge, allerdings seltener. Die meisten Geologen gehen heute davon aus, dass durch teilweises Aufschmelzen und Fusion älterer Krustenteile jetzt erstmals ein richtiger Kontinent entstand, sicherlich kleiner als das heutige Australien. Da es damals unter der Kruste immer noch heftig brodelte, zerbrach er wieder, während anderswo neue Landmassen entstanden.
Vor 3 bis 2,5 Milliarden Jahren war das Wachstum kontinentaler Kruste besonders stark. Einigen Schätzungen zufolge entstanden damals bis zu 65% der heutigen Festlandsmasse. Am Übergang vom Archaikum zum Proterozoikum (vor ungefähr 2,5 Milliarden Jahren) veränderte sich auch die Zusammensetzung der Lithosphäre, was wohl mit der Geschwindigkeit der plattentektonischen Bewegungen an der Erdoberfläche zusammenhing. Während die obere Kruste bis dahin aufgrund des schnellen Recyclings aus relativ wenig differenzierten Gesteinen, im Wesentlichen einer Mischung aus Basalt und natriumreichen Graniten, bestand, dominierten jetzt in der oberen Kruste kaliumreiche Granite. Seither ist auch die relative Höhe der Ozeanbecken und der Kontinentalplattformen ziemlich konstant geblieben.
Mehr als einmal scheint der Antrieb der Plattentektonik in den vergangenen drei Milliarden Jahren weltweit ins Stocken geraten zu sein, nur um nach einiger Zeit in alter Frische wieder anzuspringen. Solche Zyklen dauerten wahrscheinlich etliche hundert Millionen Jahre, und es sieht nicht so aus, als ob sie nur von den gigantischen Strömungen im Erdmantel abhingen. Vielmehr vermuten Forscher, dass auch die Erosion auf der Oberfläche des Planeten Erde eine wichtige Rolle spielte.
Es gibt eine gut dokumentierte Serie von Aufspaltungen und Vereinigungen von Kontinenten. Geowissenschaftler schätzen, dass sich alle 500 bis 700 Millionen Jahre die Kontinente durch Schließung von Ozeanbecken zu Superkontinenten zusammenfügen. Diese zerbrechen nach kurzer Zeit durch Wärmestau unter ihrer isolierenden Decke. Warum sich Erdteile immer wieder auf einem Haufen versammeln, bleibt allerdings rätselhaft.
Vermutlich entstand vor etwa 2,5 Milliarden Jahren der erste (noch hypothetische) Superkontinent Kenorland – eine Rieseninsel am Äquator. Nach einem Intermezzo mit kleineren Kontinent-Bruchstücken wuchs vor etwa 1,1 Milliarden Jahren der größte Teil der Landmassen zum ersten gut dokumentierten „echten“ Superkontinent Rodinia (russisch: Mutterland) zusammen. Er zerfiel bis vor rund 750 Millionen Jahre wieder. Als sich die Plattentektonik anschließend stark abbremste, kam es zu Phasen starker globaler Abkühlung, in der große Teile des Globus viele 100 Millionen Jahre unter einem gigantischen Eispanzer begraben wurden („Schneeball-Erde„). Gegen Ende des Paläozoikums vor 250 Millionen Jahren kam es wieder zu einem großen Crash, als sich die Großkontinente Laurasien und Gondwana zum neuerlichen Superkontinent Pangäa vereinigten, der von einem einzigen großen Ozean (Panthalassa) umgeben war. Der Koloss begann für geologische Verhältnisse ziemlich rasch an den heutigen mittelozeanischen Rücken auseinanderzubrechen, und aus dem Urmeer Panthalassa gingen unsere heutigen Ozeane hervor.
3. Plattentektonik und Leben
Möglicherweise haben die tektonischen Prozesse auf der frühen Erde die Zutaten für einen einfachen Stoffwechsel geliefert und damit die Basis für die ersten sich teilenden Zellen gelegt. Das Leben hätte wohl auch nie ohne Subduktion auf dem Meeresboden Fuß gefasst, denn der Meeresgrund wäre kalt und chemisch weniger komplex geblieben. Durch die Tektonik aber werden Wärme und chemische Verbindungen zwischen dem oberen Erdmantel und der Kruste ausgetauscht und so das Oberflächengestein erneuert – und damit auch die Salze, von denen sich einige Bakterien ernähren. Zudem wird durch die tektonischen Vorgänge die Strömung im flüssigen Erdkern in Gang gehalten, durch die letztlich das Erdmagnetfeld erzeugt wird, welches die Biosphäre vor der kosmischen Strahlung schützt und erst den Gang des Lebens an Land ermöglichte.
Der mit den tektonischen Aktivitäten einhergehende Vulkanismus änderte die Zusammensetzung der Erdatmosphäre drastisch, indem er diese kontinuierlich mit Kohlenstoffdioxid und anderen Gasen anreicherte. CO2 reagiert mit dem Wasser in der Luft zu Kohlensäure, die mit dem Regen auf den Erdboden gelangt und dafür sorgt, dass sich das Gestein auf den Kontinenten schneller auflöst und verwittert. Wichtige mineralische Nährstoffe werden in die Flüsse geleitet und gelangen schließlich in die Meere. Dort reagiert das im Wasser gelöste atmosphärische CO2 mit dem eingetragenen Kalziumsilikat zu Kalziumkarbonat (CaCO3 / Kalkstein), welches sich schließlich als Sediment am Meeresboden ablagert. Wenn die ozeanische Kruste nach vielen Millionen Jahren wieder per Subduktion in den Mantel abtaucht, nimmt sie die kohlenstoffhaltigen Sedimente mit und reichert den Mantel erneut mit Kohlenstoff an, der schließlich wieder bei Vulkanausbrüchen in Form von Kohlenstoffdioxid zurück in die Atmosphäre gelangt. Durch diesen Kohlenstoff-Silikat-Zyklus bleibt der CO2-Gehalt der Atmosphäre über lange Zeiträume relativ konstant und sorgt so für eine recht stabile Mitteltemperatur auf der Erde – und damit über lange Zeiträume hinweg auch für stabile Lebensbedingungen.
Auf ähnliche Weise wie den Kohlenstoff recycelt die Tektonik auch fortlaufend andere Mineralien und Gase, die für das Leben wichtig sind. So wird beispielsweise Schwefel ständig zwischen verschiedenen Reservoirs in den Ozeanen, der Erdkruste und der Biosphäre ausgetauscht, dabei chemisch verändert und neu verwertet. Der energiereiche Schwefelwasserstoff könnte vor Entstehung der Fotosynthese als Energielieferant für Archaeen und Bakterien gedient haben. Würde der Meeresgrund nicht immer wieder unter die Kontinente geschoben und stiegen Teile von ihm nicht ständig infolge von Vulkantätigkeit und Gebirgshebung erneut nach oben, würde der Verlust unerlässlicher Stoffe für das Leben dessen Ende bedeuten.
Als im mittleren Erdaltertum (Proterozoikum) die Plattentektonik die Gebirgsbildung auf dem damals entstandenen, langlebigen Superkontinent Rodinia bremste und Erosionsprozesse die alten Bergmassive verschwinden ließen, wurden auch immer weniger essenzielle mineralische Nährstoffe wie etwa Phosphate vom Land in die Ozeane getragen. Das war möglicherweise der Grund, warum zu dieser Zeit die Evolutionsprozesse im Meer einen eher statischen Verlauf nahmen. Überraschend ist, dass diese Nährstoffe auch in Zeitaltern, in denen es zu Massenaussterben auf der Erde kam, in deutlich geringeren Konzentrationen vorlagen. Zwischen 560 und 550 Millionen Jahren v. h. hatte sich dagegen die Menge der mineralischen Nährstoffe etwa verzehnfacht – wohl durch intensivere Verwitterung als Folge einer aktiveren Tektonik. Es folgte die explosionsartige Entfaltung des tierischen Lebens zu Beginn des Erdmittelalters im Kambrium (541 – 485 Millionen Jahre vor heute).
Auch wie sich das Leben entwickelte, wurde nicht zuletzt von der Drift der Kontinente mitbestimmt. Sofern Eruptionen am Meeresgrund stattfanden, änderten sie nicht nur die chemische Zusammensetzung des Meerwassers, sondern auch die Meeresströme. Deren Umorganisation konnte die Entwicklung des Klimas noch verschärfen und zu einem dramatischen Klimawandel führen.
Als sich vor 34 Millionen Jahren zwischen der Südspitze Südamerikas und der Antarktischen Halbinsel eine neue Meeresstraße (die Drake-Passage) öffnete, löste dies gewaltige Umwälzungen in der Region aus. Aus der in großen Teilen eher noch milden Antarktis wurde der heutige Gefrierschrank. Fast alles Leben auf ihr ging zugrunde.
Die physische Umgebung änderte sich durch die Plattenverschiebungen ständig. Es entstanden neue Lebensräume, andere wurden vernichtet, meist jedoch nicht auf chaotische Weise. Unaufhörlich mussten sich die Lebewesen an sich wandelnde Verhältnisse anpassen und sich darin fortpflanzen. So konnte sich nie ein statischer Zustand herausbilden. Die Evolutionsmaschinerie blieb immer in Bewegung. Räumliche Trennung von Populationen ist wesentlich für die Entstehung neuer Arten. So gingen beispielsweise beim Auseinanderbrechen eines Urkontinents Populationen auf allen Einzelkontinenten eigene Wege. Wenn sich die Festlandssockel wieder neu zusammenfügten, trafen unterschiedlichste Spezies aufeinander und der zwischenartliche Konkurrenzkampf wurde intensiviert.
Tektonische Aktivität bestimmte also das Schicksal des Pflanzen- und Tierreiches auf der Erde ganz entscheidend mit, ja war absolut notwendig für den Fortbestand und die Entwicklung des Lebens. Einige Forscher spekulieren sogar, dass sich ohne Plattentektonik nie hätten komplexe höhere Lebewesen – und auch der Mensch – entwickeln können. So übten tektonische und klimatische Ereignisse auch wesentliche Impulse auf unsere Stammesentwicklung aus. Zu Beginn des jüngsten Eiszeitalters spielten sie z. B. (neben anderen Faktoren) eine zentrale Rolle in der Menschwerdung. Die klimatisch-tektonischen Veränderungen in Afrika – Entstehung eines Riftsystems und Trennung der Klimazonen – sind nach Ansicht vieler Fachleute die Ursache für die Abspaltung der Homininenlinie von den afrikanischen Menschenaffen.
Lebewesen passen sich aber nicht nur einfach der Umwelt an, sondern schaffen sich die Umwelt, die zu ihnen passt, bzw. nachfolgenden Generationen günstige Lebensbedingungen bietet. So wurden sie von Anfang an selbst zu einem machtvollen Faktor in der Geschichte der Litho-, Hydro- und Atmosphäre. Lebewesen tragen aktiv dazu bei, den Planeten in einem zum Leben geeigneten Zustand zu halten. In einer gezielten Wechselbeziehung sorgen Erde und Leben dafür, dass jedes Ungleichgewicht wieder aufgehoben wird. Lebewesen sind z. B. an der Steuerung der auf der Erde herrschenden Temperaturen, des Salzgehalts der Ozeane und des Gleichgewichts des Chemikalienhaushalts beteiligt. Ohne diese Selbstregulierung wäre das irdische Leben wohl schon lange ausgestorben. Zusammen mit Atmosphäre, Ozeanen und festem Land bildet somit die gesamte lebende Materie auf der Erde ein komplexes System, das über alle typischen Kennzeichen der Selbstorganisation verfügt.
Auch der Mensch ist als Teil der Natur zweifellos in diese Kreisläufe mit eingebunden. Er hat in den letzten Jahrhunderten massiv in diese natürlichen Kreisläufe eingegriffen und die Materie- und Energieströme in hohem Maße umgelenkt. Das Beziehungsgeflecht, das die Menschheit untereinander und mit der übrigen Biosphäre verbindet, ist heute so komplex, dass jeder Aspekt in einem überaus engen Wirkungszusammenhang mit allen übrigen Aspekten steht. Da es der Mensch ist, der heute die Biosphäre massiv beeinflusst, trägt er auch einen Großteil der Verantwortung für den Fortbestand des Lebens auf unserem Planeten. Darüber muss sich der Mensch im Klaren sein und sollte sein Handeln danach ausrichten.
REM