Aufbau der Milchstraße
Die Milchstraße ist eine ziemlich durchschnittliche Spiralgalaxie mit einem Durchmesser von 170 000 bis 200 000 Lichtjahren. Die Astronomen unterscheiden grob insgesamt vier mehr oder weniger deutlich abgegrenzte Gebiete: Dünne Scheibe, dicke Scheibe, zentrale Verdickung (Bulge), galaktischer Halo.
Vom galaktischen Zentrum aus erstreckt sich ein balkenförmig langgestreckter Bereich sowie eine zentrale kugelförmige Verdickung, der sogenannte Bulge (engl.: Wulst, Ausbuchtung, Bauch). Letzterer ist 16 000 Lichtjahre dick und hat einen Durchmesser von 10 000 Lichtjahren und besteht hauptsächlich aus Gas, Staub und rund 10 Milliarden, überwiegend sehr massereichen Sternen. Der gewaltige Balken, eine gerade Ansammlung besonders vieler Sterne und Gase, hat eine Länge von 11 400 bis 16 300 Lichtjahren. Wegen dieser Struktur wird die Milchstraße heute auch als Balkenspirale bezeichnet. Die flache Scheibe (insgesamt 3000 Lichtjahre dick; Durchmesser rund 100 000 Lichtjahre) rotiert langsam um das Zentrum der Galaxis; jeder Stern in ihr folgt, wie die Sonne, seiner eigenen kreis- oder ellipsenförmigen Bahn, auf der er gravitativ gehalten wird. Auch die Sterne im zentralen Bulge und die interstellare Materie rotieren um den Schwerpunkt des Milchstraßensystems.
Die leuchtende Scheibe besteht aus vier Spiralarmen, die von der balkenförmigen Sternansammlung in einer Entfernung von 10 000 bis 40 000 Lichtjahren vom Zentrum ausgehen. Sie sind genau nach dem Magnetfeld ausgerichtet, das überall in der Milchstraße die interstellare Materie durchsetzt. In den Spiralarmen verdichten sich Gas und Staub und es entstehen zahlreiche neue, helle Sterne. Der Raum zwischen den Spiralarmen enthält zwar fast ebenso viel Material wie die Spiralarme, nur leuchtet er kaum.
Die Scheibe der Milchstraße (Spirale) und die zentrale Verdickung (Bulge) schweben nicht isoliert im Raum, sondern sind eingebettet in eine Art kugelförmiger Wolke aus ionisierten Gasen, relativ wenigen Sternen und Kugelsternhaufen und wohl viel Dunkler Materie. Dieser galaktischen Halo hat einen Durchmesser von ungefähr 165 000 Lichtjahren. Auf einer noch großräumigeren Skala ist die Milchstraße wahrscheinlich in einen unsichtbaren Halo aus Dunkler Materie eingebettet. Er ist leicht abgeflacht und allenfalls langsam rotierend. Sein Durchmesser könnte über 2 Millionen Lichtjahre betragen. Damit reicht er bis fast zur 2,5 Millionen Lichtjahre entfernten Andromeda-Galaxie heran.
Die Gesamtmasse der Milchstraße setzt sich aus den Sternen (geschätzt rund 100 bis 300 Milliarden) und Gaswolken in der Scheibe sowie vor allem der Dunklen Materie aus dem Halo zusammen und beträgt 1,5 Billionen (1500 Milliarden) Sonnenmassen. Dazu trägt das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße (s. u.) etwas über vier Millionen Sonnenmassen bei.
Schwarze Löcher
Schwarze Löcher sind eine der befremdlichsten Konsequenzen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Überschreitet nach deren Gleichungen die Masse in einem Raumgebiet eine kritische Grenze – oder anders gesagt: wird eine Masse auf einen genügend kleinen Raum zusammengedrängt -, werden die Gravitationskräfte so groß, dass weder Materie noch Licht oder ein anderes Signal mehr entweichen kann. Die physikalischen Gesetze brechen an der Grenze dieses Objekts offenbar derart dramatisch zusammen, dass hier sogar Raum und Zeit enden könnten.
Albert Einstein wurde auch nicht müde, immer wieder zu beweisen, dass es die „mathematische Katastrophe“ nicht geben kann. Erst 1939 konnten Wissenschaftler beweisen, dass beim Kollaps eines massiven Sterns mit mindestens 25-facher Sonnenmasse der entstandene Sternrest von mehr als 3,2 Sonnenmassen keine Möglichkeit mehr hat, sich gegen die Schwerkraft zu behaupten. Die Gravitation gewinnt die Oberhand über alle Druckkräfte, die sich ihr entgegenstemmen können – sei es der thermonukleare Druck (Strahlung) im Inneren des Sterns, die abstoßende Kraft zwischen den positiven Ladungen im Inneren der Atomkerne oder der Druck eines Gases entarteter Elektronen oder Neutronen (Entartungsdruck). Der Stern stürzt unter der Gewalt seiner eigenen Schwerkraft zusammen, und die riesige Menge verdichtet sich auf einen winzigen Punkt mit praktisch unendlich hoher Dichte und Temperatur. Dieser unendlich kleine Raum besitzt so viel Anziehungskraft, dass er alle Materie aus der Umgebung aufsaugt. Sogar Licht kann seinem Gravitationsfeld nicht entkommen. Das Objekt wird unsichtbar, nach außen hin also schwarz: Daher der Name „Schwarzes Loch„. Indiz für seine Existenz ist sein Schwerkrafteinfluss auf die Umgebung.
Die einfallende Materie – interstellares Gas und Staub, Teile eines eng benachbarten Sterns, ja ganzer Sterne – sammelt sich am sog. Ereignishorizont. Er legt eine „Struktur in der Raumzeit“ fest, einen Horizont, der unausweichlich das in sich geschlossene Universum des Schwarzen Loches vom umgebenden Raum abtrennt. Je näher man diesem kommt, umso mehr ist die Raumzeit gekrümmt. Unterschreitet man diesen Rand, so schließt sich der umgebende Raum und es gibt kein Entkommen mehr. Keinerlei Information vermag über ein Ereignis im Inneren dieses Bereichs zu künden, daher auch der Begriff „Ereignishorizont“. Er bestimmt die Größe des Schwarzen Lochs.
Sichtbar ist der Ereignishorizont durch die typische Akkretionsscheibe, eine große, teils flache, teils sich von innen nach außen stark auffächernde Scheibe, die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit um den Massegiganten rotiert. Hier sammelt sich die aus dem Umfeld angezogene Materie und leuchtet zum letzten Mal intensiv auf, bevor sie im Schwarzen Loch verschwindet. Mit zunehmender Dichte heizt sich der Mahlstrom immer weiter bis auf Temperaturen von Millionen und Milliarden Grad auf. Vor allem der Innenbereich der Akkretionsscheibe, der am dichtesten und damit am heißesten ist, emittiert energiereiche Ultraviolett-, Röntgen- und Gammastrahlung.
Auch Jets – lange, hochverdichtete Materiestrahlen, die intensive elektromagnetische Strahlung im Radiofrequenzbereich aussenden – sprechen für die Anwesenheit von Schwarzen Löchern. Diese gerichteten, eng begrenzten Teilchenstrahlen aus energiereichen, oft fast lichtschnellen Elektronen, Protonen und Positronen, entstehen entlang der Rotations- oder Magnetfeldachse der Akkretionsscheiben und rasen mit annähernd Lichtgeschwindigkeit Tausende bis Millionen von Lichtjahren weit ins Universum, wo sie mit Gas und Staub interagieren. Sie bleiben über riesige Entfernungen sichtbar.
Nach der Allgemeinen Relativitätstheorie wird ein klassisches Schwarzes Loch durch drei Größen vollständig definiert: Masse, Drehimpuls und elektrische Ladung. Die Masse gibt an, wie „schwer“ das Schwarze Loch ist, und der Drehimpuls, wie schnell es sich um seine Achse dreht. Die elektrische Ladung ist in der Regel gleich null, da sich positive und negative Ladungen ausgleichen. Kein anderes Objekt im Universum lässt sich mit so wenig Information vollständig beschreiben. Mit der einfallenden Materie nimmt die Masse eines Schwarzen Loches und damit die Stärke seines Gravitationsfeldes immer weiter zu.
Was sich im Inneren des Objekts genau abspielt, wissen wir allerdings nicht. Schwarze Löcher sind zwar die am genauesten erforschten theoretischen Gebilde der Menschheit, aber bis heute noch nicht vollständig verstanden. Dazu bedarf es einer Theorie der Quantengravitation, die auch Raum und Zeit quantenphysikalisch beschreibt.
Typen Schwarzer Löcher
Schwarze Löcher scheint es massenhaft zu geben. Sie haben zwischen einigen wenigen und mehr als einer Milliarde Sonnenmassen, und ihre Durchmesser reichen von ein paar bis zu vielen Millionen Kilometern. Die Astronomen unterscheiden heute drei Klassen nach ihrer Masse: -Stellare Schwarze Löcher mit rund 5 bis 15 (maximal 20) Sonnenmassen, -Mittelgroße Schwarze Löcher mit Tausenden von Sonnenmassen, die im Zentrum von Kugelsternhaufen entdeckt wurden, -Supermassereiche Schwarze Löcher mit Millionen bis 100 Milliarden Sonnenmassen, die im Zentrum vieler Galaxien (auch der Milchstraße) sitzen.
Stellare Schwarze Löcher bilden sich, wenn ausgebrannte massereiche Riesensterne in sich zusammenstürzen. Dabei explodieren die äußeren Schichten des Sterns meist als Supernova, und der übrig gebliebene Kern von mehr als 3,2 Sonnenmassen kollabiert zum Schwarzen Loch. Stellare Schwarze Löcher können sich auch bilden, wenn ein anderes kompaktes Objekt (wie z. B. ein Neutronenstern) aus seiner Umgebung so viel Materie anzieht, dass es den Grenzwert von 3,2 Sonnenmassen überschreitet. Schließlich können sie auch das Ergebnis einer Karambolage und Verschmelzung zweier Neutronensterne sein. (Das ist allerdings der seltenste Fall!)
Stellare Schwarze Löcher kommen millionenfach in jeder größeren Galaxie vor. Sie bleiben aber überwiegend unbeobachtbar, wenn sie nicht gerade große Gasmassen aufheizen und verschlingen. In der Milchstraße gibt es, grob gerechnet, rund 100 Millionen stellare Schwarze Löcher. Doch man hat erst wenige Dutzend davon entdeckt, weil die meisten inaktiv sind und sich daher nicht durch einen strahlenden Ring aus einstürzender Materie verraten. Möglicherweise wachsen die stellaren Schwarzen Löcher im Laufe vieler Millionen oder Milliarden Jahre zu mittelgroßen heran, indem sie viel Materie (Gas, Staub und ganze Sterne) schlucken. Diese können auch aus der Verschmelzung stellarer Schwarzer Löcher hervorgehen. Mittelgroße Schwarze Löcher sind im gegenwärtigen Universum selten. Durch Verschmelzungen sind wohl die meisten längst in den supermassereichen Exemplaren in den Zentren der Galaxien aufgegangen.
Entstehung massereicher Schwarzer Löcher
Supermassereiche Schwarze Löcher sind die Standardausrüstung großer Galaxien. Als Quasare bilden sie die ultrahellen Zentren in den Urgalaxien – die fernsten noch erkennbaren Objekte im Universum. Da diese auf den ersten Blick fast wie normale Sterne aussehen, nannte man sie „quasistellare„, also sternähnliche Radioquellen – kurz: Quasar. Ihre enorme Strahlungsleistung, die aus einem Raumvolumen kommt, das nicht größer ist als unser Sonnensystem ist, übertrifft häufig die von tausend normalen Galaxien.
Verkleinert man eine Galaxie z. B. auf die Größe Berlins, dann würde der Quasar im Zentrum ein millimetergroßes Körnchen auf dem Brandenburger Tor sein und tausendmal heller strahlen als alle Straßenlampen, Leuchtreklamen und Wohnungslichter der Stadt zusammen.
2017 wurde ein Schwarzes Loch von 800 Millionen Sonnenmassen und fast dem Durchmesser der Uranusbahn entdeckt, das bereits existierte, als das Universum erst 690 Millionen Jahre alt war. Eine derart schnelle Entstehung von Urgalaxie und supermassereichem Schwarzen Loch ist verblüffend und stellt die Forscher noch vor ein Rätsel. Die ursprüngliche Idee (Sternkollapsmodell) geht davon aus, dass die ältesten großen Schwarzen Löcher die Überreste explodierter extrem massereicher Sterne sind, welche einige Millionen Jahre nach dem Urknall zu einem Schwarzen Loch kollabierten und sich anschließend unter geeigneten Bedingungen zu einem Quasar auswuchsen. Dazu musste das Schwarze Loch nur kontinuierlich gefüttert werden.
Aber auch durch Verschmelzung miteinander könnten Schwarze Löcher weiter zu supermassereichen Exemplaren herangewachsen sein – und zwar viel schneller. Bei der Kollision von Galaxien verschmelzen auch die zentralen Schwarzen Löcher miteinander und fressen einen Teil der einströmenden Gaswolken. Trotzdem bleibt es rätselhaft, wie die Quasare schnell genug ihre enorme Masse erhalten haben. Eine neuere Idee (Gaswolkenkollapsmodell) geht davon aus, dass große Gasscheiben direkt zu Schwarzen Löchern mittlerer Masse kollabierten und durch einfallendes Gas weiter anwuchsen.
Die meisten Beobachtungsdaten und die stärksten theoretischen Argumente sprechen dafür, dass Starbursts (Gebiete mit hoher Sternentstehungsrate) die Bildung extrem massereicher Schwarzer Löcher nach sich gezogen haben. Die aus ihnen hervorgegangenen massereichen Sterne kollabierten zu stellaren Schwarzen Löchern, die anschließend zu solchen mittlerer Masse verschmolzen und sich danach allmählich zum Kern der Galaxie bewegten. Dort vereinten sie sich über die Jahrmillionen hinweg zu einem extrem massereichen Schwarzen Loch.
Noch ist die Kontroverse nicht vollends entschieden, zumal auch kompliziertere Entwicklungsverläufe denkbar sind.
Einfluss der supermassereichen Schwarzen Löcher
Mit der Zeit wuchsen supermassereiche Schwarze Löcher in den Zentren fast aller Galaxien heran. Sie können aufgrund der enormen Massekonzentration und den damit verbundenen extremen Gravitationsfeldern eine ganz Galaxie beherrschen und Entwicklung und Erscheinungsbild ihrer Heimatgalaxie kreativ prägen.
Wenn supermassereiche Schwarze Löcher Materie verschlingen, schleudern sie eine Unmenge an Energie zurück – bis in die Außenbezirke der Galaxie. Dabei gibt es zwei Arten des Energietransports: Beim radiativen Energietransport strömen Teilchen und Strahlen in alle Richtungen. Er dominierte in der frühen Jugend der Galaxien, als sich das Schwarze Loch mit der höchstmöglichen Rate Materie einverleibte. Der kinetische Energietransport, der später dominierte, erfolgt hingegen gebündelt durch Jets, welche Energie sogar in Gaswolken außerhalb ihrer Heimatgalaxie feuern.
Zwischen vielen Galaxien und ihren zentralen Schwarzen Löchern besteht eine enge, dynamische Beziehung. So können aktive Schwarze Löcher die Temperatur und die Verteilung des interstellaren Gases beeinflussen und bewirken, dass mehr Sterne geboren werden. Besonders in jungen Galaxien korreliert die enorme Sternentstehungsrate mit den Aktivitäten des Schwarzen Loches. Ist die Aktivität aber besonders groß, wird das aufgeheizte und durcheinandergewirbelte Gas in der Galaxie durch den Strahlungsdruck nach außen getrieben und die Sternentstehungsrate gebremst. Damit wird auch der Nachschub ins Schwarze Loch gemindert und dessen weiteres Wachstum begrenzt. Allerdings sind noch viele Details dieser Rückkopplung unklar.
Beobachtungen belegen, dass das Universum einige (etwa drei bis vier) Milliarden Jahre nach dem Urknall eine Ära mit einer ungewöhnlich hohen Quasar-Aktivität durchlief. Ursache waren die im jungen Weltall noch häufigen Zusammenstöße und Verschmelzungen von Galaxien. Mit der Zeit verschob sich aber das Kräfteverhältnis zwischen anziehender Materie und Dunkler Energie, bis die zeitweise Verlangsamung der Expansion des Universums vor etwa sieben Milliarden Jahren in eine Beschleunigung umschlug. Die Dunkle Energie wurde zur dominierenden Kraft im Kosmos. Der Raum expandierte und großräumige Strukturen, in denen sich die Galaxien befanden, wurden auseinander gezerrt, Verschmelzungen durch Kollisionen seltener.
Als es kaum noch zu Galaxien-Zusammenstößen kam, ließ der Nachschub für die zentralen Schwarzen Löcher nach. Immer häufiger kam es nur noch zu Vorbeiflügen, bei denen sich die Galaxien zwar auch beeinflussen, aber weniger Materie ins Zentrum gelangt. Vom Nachschub weitgehend abgeschnitten, verlangsamte sich das Wachstum der massereichen Schwarzen Löcher in den Galaxienzentren dramatisch. Ihre Strahlung kam rasch zum Erliegen und sie fielen gewissermaßen in Schlaf. So entstanden die relativ lichtschwachen Galaxien mit einem auf Diät gesetzten Massemonster im Zentrum, die heute das Weltall bevölkern. Helle Quasare sind daher im heutigen Universum selten.
Derzeit sind nur noch 0,001% aller Galaxien aktiv – drei Milliarden Jahre nach dem Urknall waren es noch tausendmal mehr. Ein inaktives Schwarzen Loch im Zentrum macht sich nur indirekt über seine gewaltige Schwerkraft bemerkbar, indem es die Bewegung naher Sterne und Gaswolken beeinflusst. Es kann wiedererweckt werden, wenn interstellares Gas abkühlt und wieder mehr davon ins Zentrum strömt. Dann nimmt die radiative und vor allem die kinetische Energieabgabe des Schwarzen Loches zu, was wiederum das Gas in der Umgebung anheizt und die Sternbildung neu entfachen kann.
Bei Elliptischen Galaxien, die quasi nur Bulge sind und die massereichsten Schwarzen Löcher enthalten, ist allerdings die Entwicklung bereits in der Endphase angelangt. Spiralgalaxien wie unsere Milchstraße besitzen in ihren Spiralarmen außerhalb des Bulge hingegen noch Reserven an kühlem, dichtem Gas und können so neue Sterne bilden. Vor allem in einer großen Zahl von Galaxien mittlerer und kleiner Größe (überwiegend kleinen Spiralgalaxien und irregulären Galaxien) lassen sich noch die Entstehung neuer Sterne und der Einfall von Materie in die zentralen Schwarzen Löcher beobachten.
Zentrum der Milchstraße
Unser Sonnensystem befindet sich in einer Schicht interstellarer Materie, deren Staub fast jede optische Strahlung, die aus dem Zentrum der Milchstraße kommen könnte, blockiert. Zudem erschwert uns die Materie unmittelbar um das Schwarze Loch selbst die Sicht, so dass uns ein direkter Blick in den Zentralbereich praktisch verwehrt ist. Nur ein Billionstel des von dort abgestrahlten sichtbaren Lichts erreicht uns. Aber schon im infraroten Spektralbereich (Wärmestrahlung) und für Radiowellen ist der interstellare Staub viel durchlässiger, d. h., mit Radio-und Infrarot-Teleskopen können wir durch ihn „hindurchsehen“.
Die Position der kompakten Radioquelle Sagittarius A* (sprich „Sagittarius A Stern“) definiert das massereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße, 26 700 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt. Nach neuesten Berechnungen ist es rund 4,1 Millionen Sonnenmassen „schwer“ und hat einen Durchmesser von 24 Millionen Kilometern (etwa 21% des Bahndurchmessers des Merkur um die Sonne). Das Himmelsobjekt gehört damit zu den eher kleinen seiner Art; in weiter entfernten Galaxien können zentrale Schwarze Löcher mehr als tausendmal massereicher sein.
Zwar reißt die Massedichte des Schwarzen Lochs einen tiefen Trichter in den Raum, aber der unmittelbare gravitative Einfluss kann sich nur über die innersten Regionen der Galaxis erstrecken. Nicht einmal 1% der Materie, die von der Schwerkraft des Schwarzen Loches eingefangen wird, erreicht letztlich den Ereignishorizont. Der Rest verlässt diesen Einzugsbereich wieder. Die Leuchtkraft des Schwarzen Lochs ist gerade einmal hundertmal stärker als die unserer Sonne und liegt damit weit unter seiner maximalen Effizienz. Das Objekt scheint sich also in einem Aktivitätsminimum zu befinden; die Astronomen sprechen von einem „verhungernden Schwarzen Loch“.
Das war nicht immer so: Vor 3,5 Milliarden Jahren veranstaltete das zentrale Schwarze Loch offenbar ein gewaltiges Feuerwerk, bei dem es innerhalb relativ kurzer Zeit 100 000- bis 1 000 000-mal so viel Energie freisetzte wie die Sonne in ihrer gesamten Lebenszeit. (Und noch vor 60 oder 70 Jahren scheint es eine regelrechte Fressorgie gefeiert zu haben. Die Ursache waren höchstwahrscheinlich sich verdrillende und neu verknüpfende Magnetfelder in der das Schwarze Loch umkreisenden Materie.)
Einen großen Anteil an der Gesamtleuchtkraft des Milchstraßenzentrums hat die Strahlung von etwa 25 massereichen Sternen, die von einem Starburst vor rund zehn bis einigen Dutzend Millionen Jahren übrig geblieben sind. Ihre Atmosphären speisen die gewaltige Akkretionsscheibe (mit einem sehr dünnem, 20 Millionen Grad heißen, ionisierten Gas), die alle 50 Minuten mit einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit einmal um das zentrale Schwarze Loch rast.
In größerer Distanz drängen sich auf engem Raum – milliardenmal dichter als unsere galaktische Region – Millionen Sterne zusammen und umkreisen den Kern unserer Milchstraße auf engen Bahnen. In weniger als einem Promille des Gesamtvolumens der galaktischen Scheibe finden sich hier 10% der Masse von Sternen und interstellarer Materie der gesamten Milchstraße. Nur ein Schwarzes Loch ist in der Lage, auf so kleinem Raum (kleiner als der Abstand Erde-Sonne) soviel Masse zu vereinen. In der Umgebung des Schwarzen Loches (weniger als 100 Lichtjahre) entstehen auch noch immer massereiche Sterne, obwohl dieser Bereich der Milchstraße sehr alt ist. (Offenbar sind Schwarze Löcher also nicht nur Todesengel, sondern auch Geburtshelfer.) Diese jungen Sterne tragen ihrerseits zur Gesamtleuchtkraft unseres Sternsystems bei.
Alle nahegelegenen Sterne werden auf Umlaufbahnen gezwungen, auf der sie sich schneller bewegen, als ihnen nach Keplers Gesetzen erlaubt ist. Sie zapfen die Rotationsenergie des Schwarzen Lochs an und erfahren dadurch eine immense Beschleunigung: Mit mehreren Prozent der Lichtgeschwindigkeit rasen sie um das Schwarze Loch herum. Einige dieser S-Sterne nähern sich dem Schwerkraftgiganten bei ihren schnellen Umläufen stark an. Den engsten und kürzesten Orbit (Umlauf nur 4,02 Jahre) hat S4716, der dabei Geschwindigkeiten von bis zu 8000 km/s erreicht. Vermutet wird, dass dieser Stern woanders entstanden ist und durch äußere Einflüsse auf seine heutige Bahn gedrängt wurde.
In der Region um das Schwarze Loch herum wurden auch über 100 Wolken aus atomarem Wasserstoff entdeckt, einige Dutzend bis über 100 Lichtjahre groß. Diese Gebilde bewegen sich mit bis zu 400 km/s in einer Scheibe, die leicht gegen die galaktische Ebene geneigt ist und etwa 6500 Lichtjahre in beiden Richtungen in den intergalaktischen Raum ragt. Eine größere Menge an ionisiertem Wasserstoff-Gas im Zentrum ist typisch für sogenannte LINER-Galaxien (Liner = kurz für „Low-Ionisation Nuclear Emission-Line-Region„), zu denen rund ein Drittel der Galaxien in unserer kosmischen Nachbarschaft gehören. Sie gelten als Übergangstyp zwischen Galaxien mit einem inaktiven Schwarzen Loch im Zentralbereich und solchen mit einem Materie verschlingenden Kern. Nach den vorliegenden Daten könnte die Milchstraße zu den LINER-Galaxien gehören.
Im Zentrum der Milchstraße sitzen auch zwei gigantische, etwa 1400 Lichtjahre große Blasen, die nur im Gammastrahlenbereich sichtbar sind. Sie bestehen aus heißen, sich schnell bewegenden Gasen und zwei kleineren, schornsteinartigen Schloten aus heißem Plasma, die sich wie die Wasserstoffwolken oberhalb und unterhalb der Milchstraße ausdehnen – jedoch über 50 000 Lichtjahre. Ihr physikalischer Ursprung sowie der Zusammenhang mit den Wasserstoffwolken sind bis heute rätselhaft. Der galaktische Ausfluss könnte von Sternexplosionen im Zentrum stammen – oder von Trümmern der Sterne, die vom Schwarzen Loch zerrissen wurden.
Um das supermassereiche Schwarze Loch kreisen offenbar zahlreiche kleinere Exemplare. Bei diesen stellaren Schwarzen Löchern handelt es sich wahrscheinlich um die Überbleibsel großer Sterne, die sämtlichen Brennstoff aufgebraucht haben und dann unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabiert sind. Insgesamt gehen die Astrophysiker von mindestens 300 bis 500 stellaren Schwarzen Löchern aus, die in einem Abstand von 3,3 oder weniger Lichtjahren um Sagittarius A* kreisen, eventuell könnten es aber auch mehr als 10 000 sein. Da sie allein durchs All treiben, sind sie für Teleskope nicht sichtbar.
Wenn sich die Entdeckung des Japaners Tomoharu Oka (Yokohama) bestätigt, gibt es auch ein mittelschweres Schwarzes Loch (mit rund 100 000 Sonnenmassen) im Zentralbereich unseres Milchstraßensystems. Oka und sein Team glauben, dass es der ehemalige Kern einer Zwerggalaxie ist, die von unserer Milchstraße einst verschluckt wurde und deren Sterne durch die Gezeitenwirkung abgestreift wurden. Seine Lage im Zentrum ist ein Hinweis auf den galaktischen Kannibalismus unseres Sternsystems.
Ein Ensemble von Materiewolken nähert sich langsam dem Zentrum unseres Milchstraßensystems. Irgendwann wird dieses Material beim Schwarzen Loch ankommen und dann auch dort hineinfallen. Nach Abschätzungen wird das in einigen zehn Millionen Jahren so weit sein. Dann ist eine heftige Aktivitätsperiode zu erwarten: Das Zentrum unserer Milchstraße wird für geraume Zeit wieder als aktiver galaktischer Kern erstrahlen.
REM