Es gibt keine gerade Linie vom Ursprung des Lebens bis hin zum Menschen, kein stetes Fortschreiten vom Einfachen zum Komplexen, keinen zielgerichteten Prozess. Die Evolution des Menschen ist eher eine Kette von miteinander verschränkten Ereignissen und wechselhaftem Geschehen, wobei vor allem tektonische und klimatische Einflüsse eine große Rolle spielten. Das Prinzip „Zufall“ hätte an jedem einschneidenden Ereignis dem Evolutionsgeschehen eine andere Richtung geben können.
Im Kambrium (vor 541 bis 485 Millionen Jahren) lebte das Chordatier Pikaia, ein ursprüngliches Mitglied unseres eigenen Stammes. An der Wende zum Devon wurde fast die gesamte Tierwelt dieser Zeitepoche vernichtet. Hätte Pikaia nicht überlebt (was schon relativ unwahrscheinlich war), wären wir bereits damals aus der künftigen Geschichte getilgt worden – und nicht nur wir, sondern alle Wirbeltiere: Vom Hai über Frösche, Echsen, Vögel bis zu den Primaten. Wenn wir also die ewige Frage stellen möchten, warum der Mensch existiert, muss die Antwort wissenschaftlich gesehen lauten: Weil Pikaia die erdgeschichtliche Katastrophe am Ende des Kambriums überlebte.
Und wäre es nicht vor 66 Millionen Jahren durch einen Meteoriteneinschlag zu einer erdumfassenden Katastrophe gekommen und hätte die Dinosaurier ausgelöscht, wären die Säuger möglicherweise nie aus einem Randdasein hinausgekommen, und wenn, dann unter anderen Bedingungen. Dann hätten die Saurier wohl ähnlich intelligente Arten wie den Menschen hervorgebracht.
Der kanadische Paläontologe Dale Russel hat ein „Hirnsauriermodell“ entwickelt – ein leicht makabres Wesen von menschlicher Gestalt, schlangenhaft „kalten“ Augen mit großem, nacktem Schädel, in dem ein voluminöses Gehirn bequem Platz gefunden hätte. Es ist die konsequente Weiterentwicklung des Stenorhyncho-Sauriers, eines behenden Zweibeiners, der es bei 1,75 Meter Größe auf eine große Gehirnmasse bringen konnte. (Ob er irgendwann aber Intelligenz hervorgebracht hätte wie der Mensch, ist allerdings unmöglich zu sagen. Denn Intelligenz ist nur eine Anpassung oder Überlebensmethode für eine Tiergruppe, die nicht notwendigerweise besser oder anderen Anpassungen überlegen ist.)
Wir verdanken unsere Existenz als große denkende Säugetiere also einer Abfolge von (Un)Glücksfällen, an der erdgeschichtliche Ereignisse ungerichtet und planlos mitwirkten. In gleicher Weise verdankt jeder einzelne Mensch seine persönliche Existenz geschichtlichen Zufällen.
Von den Anfängen bis zum Miozän
Wir gehören biologisch bekanntermaßen ins Reich der Tiere, in den Stamm der Wirbeltiere, der Klasse der Säuger und – zusammen mit Halbaffen, Affen und Menschenaffen – in die Ordnung der Primaten. Diese artenreiche Gruppe tauchte vor über 80 Millionen Jahren auf, nachdem die Säuger schon ihre ersten 100 Millionen Jahre, zwei Drittel ihrer gesamten bisherigen Geschichte, als kleine Geschöpfe in den Winkeln und Ritzen der Dinosaurier-Welt zugebracht hatten. Die Primaten erklommen als erste Säuger die Baumwipfel, was eine ganze Reihe anatomischer Veränderungen -vor allem der Fortbewegungsorgane (spitze Krallen, leicht abspreizbarer erster Finger) und Sinnesorgane (Augen) – sowie der geistigen Fähigkeiten erforderte. Ihr ursprüngliches Aussehen und ihre Lebensweise dürften ähnlich denen einiger heutiger Spitzhörnchen gewesen sein. Wie sehr die Umwelt Lebewesen formte und immer wieder neue, passende Fähigkeiten hervorbrachte, wird an ihrer weiteren Entwicklung deutlich.
Ohne das Massensterben vor 66 Millionen Jahren wäre die Erde wohl eine Saurierwelt geblieben, und die Säuger hätten sich wahrscheinlich nicht weiter ausbreiten können. So aber vermehrten sie sich nach der Katastrophe rasch und spalteten sich in zahlreiche unterschiedliche Arten auf, darunter einige, die größer und kräftiger wurden. Schon vor 60 Millionen Jahren zweigten bei den Primaten die Trockennasenaffen von den ursprünglicheren Feuchtnasenaffen, zu denen heute die auf Madagaskar lebenden Lemuren und die Loris gehören, ab. Immer wieder sorgten in der Folgezeit großräumige klimatische Umschwünge für einen Selektionsdruck und die Bildung neuer Arten.
Vor 55 Millionen Jahren kam es zu einer besonders heißen Phase der Erdgeschichte, in der die Temperaturen um 4 bis 5°C stiegen. Ursache für die kurzzeitige Erwärmung war wohl der Zerfall größerer Mengen Methanhydrat im Meeresboden, ausgelöst durch eine aus dem Erdinneren aufgestiegenen Blase heißer Materie unter dem Nordatlantik. Methan und sein Zerfallsprodukt Kohlenstoffdioxid gelangten in die Atmosphäre und ließen die Temperatur steigen. Die Arktis wurde damals völlig eisfrei, subtropischer Wald bedeckte den größten Teil der Landmassen. Überall zeichnete sich nun ein für jene Zeit außerordentlich dynamisches Evolutionsgeschehen ab. Viele der bis dahin dominierenden Säugetierarten verschwanden von der Erde.
In dem dreidimensionalen, vielfältigen Lebensraum im Geäst der Wälder kam es zu einer weiteren Aufspaltung der Primatenarten. Bei den Echten Affen rückten die Augen weiter nach vorn und enger zusammen, so dass binokulares, räumliche Sehen (Fernorientierung) möglich wurde. Damit verbunden war der Rückgang der Geruchsfunktion. Die akustische Kommunikation spielte jetzt eine größere Rolle. Die neue Koordination der Sinnesleistungen machte eine Umstrukturierung des Gehirns notwendig und gab den Anstoß zu einer galoppierenden Vergrößerung des Denkapparats.
Nachdem sich Südamerika und Afrika voneinander getrennt hatten, entstanden vor rund 40 Millionen Jahren in Afrika und Asien die sog. Altwelt- oder Schmalnasenaffen, in Südamerika die Neuwelt- oder Breitnasenaffen. Die Altweltaffen entwickelten flache Nägel an Fingern und Zehen und tastempfindliche Kuppen an den Fingerspitzen. Die Finger selbst waren einzeln bewegbar, und der Daumen konnte aktiv den übrigen Fingern gegenüber gestellt werden. Dadurch waren feinmotorische Greifbewegungen – für soziale Fell- und Hautpflege, für Nahrungssuche und zum Ertasten und Erkunden von Gegenständen – möglich.
Am Ende des Eozäns vor knapp 34 Millionen Jahren kam es zu einem weiteren ungewöhnlichen Klimawandel, möglicherweise ausgelöst durch einen Meteoriteneinschlag. Gleichzeitig mit dem Absinken der Temperaturen trieben die Nordkontinente auseinander. Im Zuge dieser Entwicklung veränderten sich die Lebensräume, wobei die Waldflächen schrumpften. Es ereignete sich ein mittelschweres Artensterben, das Nischen für neue Arten freimachte. Die Altweltaffen spalteten sich in Tieraffen – auch Hundsaffen oder Schwanzaffen genannt (z. B. Makaken, Paviane, Languren und Rhesusaffen) – und Menschenaffen (Hominoidae) auf. Ihre gemeinsame Basisgruppe waren vermutlich die Propliopithecidae, von deren bekanntestem Vertreter Aegyptopithecus 30 bis 45 Millionen Jahren alte Funde existieren. Der Entdeckung eines etwa 15 bis 20 Kilogramm schweren Primaten im westlichen Saudi-Arabien lässt darauf schließen, dass sich die endgültige Spaltung der Altweltaffen frühestens vor 29 Millionen Jahren vollzog – später, als sich eigentlich aus Genomanalysen ergibt.
Die Menschenaffen lebten zunächst noch primär auf Bäumen, liefen im typischen Vierfüßergang am Boden und in den Zweigen und konnten gut klettern und springen. Ihre Ernährung war breiter gefächert als heute, vorwiegend Obst, aber auch Blätter, Früchte oder Nüsse. Mit der Zeit wurden einige dieser Arten größer und schwerer. Um sich ungestört auf den Bäumen bewegen zu können, mussten sie ihr Gewicht verteilen. Die Schulterblätter spreizten sich nach außen und verbreiterten so den Körper. Die Wirbelsäule war sehr biegsam und im unteren Teil recht lang. Da sie zum Springen zu schwer waren, brauchten sie keinen Schwanz oder besonders lange Beine. Hüften, Schulter-, Hand-, und Fußgelenke waren bereits beweglicher als bei Tieraffen. Verlängerte Arme und die beweglichen Handgelenke befähigten sie, aus nahezu jedem Winkel an etwas heranzureichen, zu drehen und zu greifen. Das Ellenbogengelenk ließ sich vollständig öffnen, so dass sie an Ästen hängen konnten. Aber noch immer waren sie besser dafür gerüstet, an und auf Ästen entlang zu klettern.
Ein charakteristischer Evolutionstrend von Primaten war die zunehmende soziale Lebensweise. Soziales Leben lässt sich mit starren, angeborenen Verhaltensweisen nicht meistern, es verlangt vielmehr ein ausgeprägtes Lernvermögen. Voraussetzung dafür war die Verlängerung der Säuglingsphase und der nachfolgenden Zeit bis zum Jugendalter. In der verlängerten Jugendzeit konnten soziale Verhaltensweisen, soziale Rollen und Nahrungstraditionen der jeweiligen Primatensozietät spielend-erprobend übernommen werden. Primatentypisch innerhalb des Sozialverhaltens ist vor allem das Erkennen von Vertrautheitsgraden. Es ermöglichte das Entstehen komplexer Sozialsysteme.
Ob das Sozialgefüge oder eher eine energiereiche Ernährung für die Vergrößerung des Gehirns der Auslöser war, ist seit langem umstritten. Amerikanische Anthropologen kamen zu dem Ergebnis, dass Primaten, die sich von Früchten ernähren, im Durchschnitt ein 25% größeres Gehirn haben als Blätterfresser. Hingegen fanden die Forscher keinen Einfluss des Soziallebens auf das Hirnvolumen. Allerdings haben sich wohl komplexe Ernährungsstrategien, soziale Strukturen und kognitive Fähigkeiten in der Primatenevolution abhängig voneinander entwickelt.
Frühes und mittleres Miozän (vor 23 bis 11,6 Millionen Jahre)
Bis ins frühe Miozän war Afrika beidseits des Äquators von einem riesigen tropischen Regenwaldgürtel bedeckt. Vor etwa 21 Millionen Jahren entstand die erste einer Reihe von Landbrücken von dem damaligen Inselkontinent zur Arabischen Halbinsel. Über diese gelangten zahllose Arten afrikanischer Landtiere nach Eurasien, darunter Giraffen, Elefanten, Nagetiere, aber auch Primaten. Wahrscheinlich sind die ersten Menschenaffen vor rund 16,5 Millionen Jahren nach Eurasien gelangt, spätestens aber vor etwa 15 Millionen Jahren. Sie fanden in den immergrünen Regen- und laubabwerfenden Feuchtwäldern, die sich bis ins südliche Ostasien erstreckten, eine stabile Umwelt mit reichlich Früchten bei Temperaturen wie im tropischen Afrika. Einer der ersten, dessen Nachfahren Eurasien eroberten, war Proconsul, der bekannteste Vertreter der frühen Menschenaffen in Afrika, der vor 21 bis 14 Millionen Jahren lebte. Er hatte noch ein relativ kleines Gehirn und war in den Gelenken nicht ganz so beweglich wie die modernen Arten.
Die Evolution der europäischen Menschenaffen war ein wildes Herumprobieren: Hangeln, klettern, auf zwei oder vier Beinen gehen usw. In nur 1,5 Millionen Jahren, erdgeschichtlich ein Augenblick, entwickelten sich mindestens acht neue Formen in mindestens fünf Gattungen. Als es kälter und trockener wurde, lösten allmählich Savannen und aufgelockerte Waldgebiete die dichten Wälder ab. Früchte wurden im Winter rar. Den Fossilien zufolge hielten sich die meisten kraftvoll gebauten Menschenaffen jetzt vorwiegend am Boden auf. Wahrscheinlich erweiterten sie damit ihren Aktionsradius und konnten so unter den vorherrschenden Verhältnissen ihre Nahrungsbedürfnisse besser befriedigen. Die Tiere erschlossen sich eine Vielzahl von neuen Umwelten und Nahrungsquellen, die einem Proconsul nicht zugänglich waren. Aus Abnutzungsspuren an ihren Zähnen und dem dickeren Zahnschmelz kann man schließen, dass sie oft Knollen und Wurzeln, also eine bis dahin verschmähte Nahrung, zu sich nahmen.
Es gab eine Reihe von Skelettveränderungen. So entwickelten sich anatomische Spezialisierungen für die schwingend-kletternde Fortbewegung, die sog. Brachiation: Weniger Wirbel und eine starre Wirbelsäule, die half, den Körper aufrecht zu halten. Dazu kam ein deutlich höheres Körpergewicht, äußerst bewegliche Gliedmaßen und sehr große und kräftige Hände. Mehrere Formen experimentierten mit dem aufrechten Gang (z. B. Danuvius, Pierolapithecus).
Eurasien dürfte vor 15 bis 8 Millionen Jahren eine besondere Bedeutung für die Evolution der Menschenaffen gehabt haben. Proconsul könnte der letzte gemeinsame Vorfahr der modernen Kleinen und Großen Menschenaffen gewesen sein, die sich nach bisherigen Erkenntnissen vor 16 bis 11 Millionen Jahren trennten. Heute umfasst die Gruppe der Kleinen Menschenaffen Gibbons und Siamangs, während man Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Bonobos sowie den Menschen zu den Großen Menschenaffen zählt.
Vor knapp 13 Millionen Jahren lebten in Eurasien Große Menschenaffen-Arten wie Dryopithecus (in Europa) und Sivapithecus (in Asien). Sie ernährten sich von Früchten. Ihre verkürzte Schnauze deutet darauf hin, dass für sie Sehen wichtiger war als Riechen. Der Bau der Gliedmaßen und die langen, hakenartigen Hände ähnelten schon in vielem denen moderner Menschenaffen. Zusammen mit dem kurzen, steifen Rumpf und einer geraden Wirbelsäule waren sie sehr gut zum Hangeln geeignet.
Dryopithecus besaß wahrscheinlich ein ebenso großes Gehirn wie ein gleich großer Schimpanse. Seine systematische Stellung innerhalb der Hominiden ist allerdings noch umstritten. Manche Forscher halten ihn für einen Verwandten der asiatischen Menschenaffen, andere bezeichnen ihn als den Urahn aller heutigen afrikanischen Großen Menschenaffen und damit auch des Menschen. Er lebte nachweislich noch vor 12 bis 9 Millionen Jahren. In Sivapithecus sah man lange aufgrund der überraschenden Ähnlichkeit des Schädels einen Vorfahren der modernen Orang-Utans. Der DNA nach stammen diese jedoch wohl von Pongo ab, einem Menschenaffe, der sich vor mindestens 12 Millionen Jahren von der Entwicklungslinie anderer Menschenaffen abgespalten hat.
Fossilien der Großen Menschenaffen hat man bisher nur in Eurasien gefunden. Zwar könnte es sein, dass im Miozän in Afrika und Eurasien ähnliche Arten lebten – doch das ist unwahrscheinlich. Vielmehr sahen die Menschenaffen in jener Zeit in Afrika wohl noch immer so ursprünglich aus wie im frühen Miozän. Die Großen Menschenaffen Eurasiens blieben zunächst durch die Schrumpfung ihrer Lebensräume infolge der globalen Abkühlung von Afrika abgeschnitten.
Als im Äquatorbereich Afrikas das große Regenwaldgebiet zerfiel, starb das Gros der kleinen afrikanischen Menschenaffen, die sich hauptsächlich von Früchten ernährten, bald aus. Die übrig gebliebenen Arten, die vorwiegend Blätter aßen, verschwanden später wohl aufgrund der überlegenen Konkurrenz durch die Stummelaffen, die sich just in jener Zeit entwickelt hatten. Diese konnten wegen eines anders gebauten Verdauungstrakts Blätter weit besser verdauen. Eines der letzten Tiere aus der einst großen Gruppe der relativ kleinen Menschenaffen in Afrika war der kleinste bisher bekannte Menschenaffe, Simiolus minutus (3,5 Kilogramm schwer), der im Westen Kenias lebte.
Spätes Miozän (11,6 bis 5,3 Millionen Jahren)
Im späten Miozän erfolgte ein massiver Klimaumschwung, als sich die Alpen, der Himalaja und die Gebirge Ostafrikas weiter aufschoben und sich die Meeresströmungen verlagerten. Das Klima kühlte sich weltweit ab und es wurde trockener. Einige der europäischen Linien der Menschenaffen, beispielsweise Dryopithecus oder Kenyapithecus kizili, gelangten ins tropische Afrika, von dem sie lange Zeit abgeschnitten waren. Hier waren die Umweltbedingungen ähnlich denen, an die sie sich in Europa angepasst hatten. Von diesen Arten stammen wahrscheinlich die modernen afrikanischen Großen Menschenaffen und der Mensch ab. Viele Fragen sind jedoch noch offen, denn es besteht zwischen den europäischen Vorläufern und den afrikanischen Formen geografisch wie zeitlich eine beachtliche Fossilienlücke. Man geht aber davon aus, dass sich vor etwa 10 bis 8 Millionen Jahren die Linien trennten, von denen eine zum Gorilla und die andere zum Schimpansen und Menschen führte.
Vor etwa 8 Millionen Jahren wurde das Mittelmeer vom Atlantik abgeschnitten. Durch den fehlenden Wasseraustausch mit den Weltmeeren und den abgeschnittenen Zufluss vom asiatischen Festlandsbereich verringerte sich die Wassermenge und große Mengen Salz lagerten sich im trocken fallenden Mittelmeerbecken ab („Mediterrane Salzkrise“). Diese Salzablagerung dauerte, geologisch gesehen, nur sehr kurze Zeit, vielleicht wenige 100 000 Jahre, bewirkte aber eine drastische Klimaveränderung. Die Temperatur auf der Erde sank plötzlich stark ab, um 5°C, und die polaren Eiskappen begannen sich zu bilden. In Asien entstanden die noch heute vorhandenen Monsunzyklen.
Offenbar hielten die eurasischen Großen Menschenaffen den Klimaumschwung nicht aus. Die meisten ihrer Linien starben aus. In Europa waren sie endgültig vor rund 7 Millionen Jahren verschwunden. Einige tauchten noch im Osten Eurasiens auf (wie z. B. Sivapithecus in Südostasien und Pongo). Aus ihnen gingen die Orang-Utans hervor.
In dieser Zeit begannen auch die tropischen Regenwälder Afrikas, die bis dahin von West- nach Ostafrika reichten, zu schrumpfen. In einer breiten Randzone dünnte sich der Urwald nach und nach zu einem Flickenteppich aus einzelnen Baumgruppen aus. Nun mussten die bisherigen Waldbewohner bei der Nahrungssuche zwangsläufig öfter auf den Boden, wobei die im Vorteil waren, die aufrecht gehen konnten. Jetzt trennten sich auch die Linien, die zu Schimpansen und Menschen führten.
[Bei serologischen Tests, Proteinanalysen und DNA-Untersuchungen ergibt sich jeweils eindeutig, dass afrikanische Menschenaffen und Menschen einander ähnlicher sind als beide im Vergleich mit den Orang-Utans. Daher stellen viele Systematiker schon seit einiger Zeit die afrikanischen Menschenaffen in die Familie der Hominiden (Menschenartige). Der Orang-Utan stellt danach eine eigene Familie, die der Pongide, zu der die afrikanischen Menschenaffen und der Mensch zusammen die Schwestergruppe bilden. Innerhalb der Hominiden unterscheidet man Hominine (Menschenähnliche), Panine (Schimpansenähnliche) und Gorilline (Gorillaähnliche), zu denen man auch entsprechende fossile Formen zählt. (Nach einer anderen Version ordnet man Mensch, Schimpanse und Gorilla in die Unterfamilie Hominine und die des Orang in eine parallele Unterfamilie Pongine, die gemeinsam die Familie der Hominiden bilden.)
Die genetische Verwandtschaft der afrikanischen Menschenaffen und der Menschen ist so eng, dass die Beziehungen innerhalb dieser Gruppe von vielen molekularbiologischen Untersuchungen zunächst nicht eindeutig zu klären waren. Ungefähr 97% der Gene haben sie gemeinsam. Dabei beträgt die genetische Distanz zwischen Mensch und Schimpanse 1,6%, zwischen Mensch und Gorilla sowie zwischen Schimpanse und Gorilla aber 2,3%. Schimpanse und Mensch bilden demnach eine evolutionäre Schwestergruppe zum Gorilla.]
Der letzte gemeinsame Vorfahre von ihnen lebte nach heutiger Kenntnis vor höchstens 8 bis mindestens 5 Millionen Jahren. Genauer lässt sich das noch nicht abschätzen. Die Wissenschaftler vermuten, dass es ein schimpansenähnlicher Waldbewohner war, der auf dem Boden lief, aber auch im Geäst kletterte, und sich hauptsächlich von Früchten ernährte, aber auch kleinere Tiere tötete und verzehrte. Er benutzte hin und wieder Werkzeuge und lebte in komplexen, dynamischen Horden – wie Schimpansen und Menschen heute.
Manche denken, dass er im Knöchelgang lief wie heutige Schimpansen und Gorillas. Dabei stützen sich die Tiere auf die mittleren Fingerglieder. Entsprechend ist die Form der Handwurzelknochen an diese Fortbewegungsweise angepasst. Beim Menschen findet sich aber kein Hinweis auf eine Abstammung von Knöchelgängern. Daher könnte der Knöchelgang der Schimpansen erst jüngeren Datums sein und scheint, wie auch die langen Finger und der kurze Daumen, eine moderne Anpassung an das Leben in Bäumen darzustellen. Die baumbewohnende Lebensweise wäre demnach ein Sonderweg unter den afrikanischen Hominiden, der erst nach der Trennung von der Menschenlinie eingeschlagen wurde und die Veränderung der Hand nach sich zog. In der Hand des modernen Menschen seien dagegen viele archaische Merkmale konserviert; sie würde also eher der von den ursprünglichen Vorfahren ähneln. Ardipithecus ramidus, ein 4,4 Millionen Jahre alter ausgestorbener Seitenzweig in der Menschheitsentwicklung aus Äthiopien, scheint dem gemeinsamen Urahnen von Schimpansen und Menschen anatomisch am nächsten zu stehen.
Die ersten Homininen
Es scheint zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich, dass die östliche Mittelmeerregion (Nordafrika oder Südeuropa), genauso wie das tropische Afrika (ein breiter Gürtel, der das ostafrikanische Rifttal ebenso einschließt wie die Tschadsenke) für den Ursprung der Homininen in Betracht gezogen werden müssen. Über den genauen Verlauf ihrer Entstehung und Entwicklung haben wir keine genaue Kenntnis, da Fossilien von frühen Homininen und auch den übrigen Menschenaffen aus der Zeit von vor 8 bis 5 Millionen Jahre nur sehr spärlich sind. Einig ist sich die Wissenschaft, dass der Großteil der Evolution der Homininen auf jeden Fall in Afrika stattgefunden hat.
Die ältesten homininen Vorfahren haben wahrscheinlich das Klettern und den Aufrechtgang bevorzugt. Beim Stemmgreifklettern werden die gleichen Muskeln aktiviert wie beim Gehen. Beide Fortbewegungsarten existierten auch bei den späteren Australopithecinen noch nebeneinander. Bei solchen Mehrfachfunktionen kann durch Selektion eine der Funktionen mit der Zeit bevorzugt werden, die andere kann weniger Bedeutung erhalten oder ganz wegfallen. Das ermöglicht einen langsamen Wandel im Körperbau, ohne dass alle Teile gleichzeitig erfasst werden. So veränderten sich auf dem Weg zum ausdauernden Aufrechtgang tatsächlich auch zuerst Becken und Beine und erst später Schultergürtel und Brustkorb.
Ein sehr früher und der derzeit mutmaßlich älteste Vertreter unter den homininen Ahnen des Menschen könnte der Sahelanthropus gewesen sein, der vor 7,2 bis 6,8 Millionen Jahren im heutigen Tschad lebte. Zumindest stand dieser Primat hautnah an dem Zeitpunkt, als die Menschen- und Schimpansenlinie sich trennten. Er scheint manche Merkmale aufzuweisen, die unser letzter gemeinsamer Vorfahre noch nicht besessen haben dürfte. So hatte er schon einen flachen Gesichtsschädel, der auch einem nur 1,7 Millionen Jahre alten Australopithecus gehören könnte, recht kleine Eckzähne und dicken Schmelz auf den Backenzähnen. Aber er hatte auch noch gewaltige Augenwülste und einen winzigen Hinterkopf, was mehr an einen Schimpansen erinnert.
Die Wissenschaftler nehmen eine frühe Radiation der Homininen in zahlreiche verschiedene Arten an. Das Klima dürfte dabei weiterhin zu den wichtigsten Einflussfaktoren gehört haben. Neben häufigen kurzfristigen Klimawechseln, in denen sich die Lebensräume wandelten, gab es auf dem Weg zum Menschen noch mindestens drei große Klimaveränderungen. Diese Ereignisse erhöhten den Selektionsdruck und dürften sich auf die Homininen vielfältig ausgewirkt haben. Ein bestimmter Körperbau, eine Ernährungsweise oder Art der Fortbewegung, die zu einer Zeit und in einem bestimmten Lebensraum gut passten, waren zu einer anderen Zeit weniger ideal. Die Entwicklung schritt also nicht gleichmäßig in derselben Richtung voran, sondern eher mal hierhin, mal dorthin. Bestimmte Merkmale entwickelten sich auch mehrfach in isolierten Habitaten unabhängig voneinander.
So ist offenbar eine große Diversität unter den Homininen entstanden, wobei jede Art oder Gruppe jeweils ein Mosaik aus ursprünglichen und abgeleiteten Merkmalen besaß. Vielerorts vermischten sich die aufrecht gehende Vormenschen-Varianten von Zeit zu Zeit wieder miteinander und zeugten vielgestaltige Nachkommen, von denen eine große Zahl ausstarb, andere aber überlebten und schließlich den Menschen hervorbrachten.
REM